Wie kann auf einer solchen Basis eine vertrauensvolle Lehr- und Lernbeziehung gelebt werden? Mir ist bisher noch nicht klar geworden, warum Lehrer meinen, Ihr Beruf stünde über dem anderer Dienstleistungsberufe? Es ist ganz klar, dass Ärzte bewertet werden, dass es im Internet auch über Pizzaboten und Paketdienste Bewertungsportale gibt. warum sollten es gerade die Lehrern anders sein? Nachdem das Internet zum Web 2.0 geworden ist, haben wir uns alle daran gewöhnt, dass wir Dienstleistungen und Produkte bewerten können. Wir geben beim Onlineshopping Sterne, wir geben auch Kommentare ab und beantworten Fragen andere Käufer. Das ist per se noch nichts Schlechtes. Es ist aber in den letzten Jahren immer klarer geworden, dass solche Bewertungssysteme auch missbraucht und beeinflusst werden können. Die Abgabe von Sternen kann auf zweierlei Arten problematisch sein. Erstens wenn versucht wird, einen Trend herauszulesen, auch wenn noch zu wenige Bewertungen abgegeben wurden, und zweitens wenn mittels automatischer Programme automatisch Bewertungen erzeugt werden. Ganz besonders problematisch ist natürlich eine Funktion zur freien Kommentierung. Hier sind der Verunglimpfung Tür und Tor geöffnet. Eine solche freie Kommentarfunktion haben die Verantwortlichen der App offenbar mit Bedacht nicht mit eingebaut, obwohl das sicher größere Klickzahlen und eine größere Menge an Usern in der App gebracht hätte. Das zeigt mir, dass es den Machern nicht ausschließlich um kommerzielle Interessen und um den Möglichst breiten Erfolg geht, sondern dass sie sich tatsächlich auch Gedanken gemacht haben, wie ein konstruktives Feedback aussehen kann. Bedenklich finde ich jedoch, dass ein Bild einer Schule oder eines einzelnen Lehrer auch dann sein veröffentlicht wird wenn nur sehr sehr wenige Beurteilungen hier abgegeben wurden. Aufgrund von zwei oder drei Schülermeinungen denke ich nicht, dass ein sinnvolles Bild erzeugt werden kann. Hier wäre es noch dringend angebracht, sich mit Statistiken zu überlegen, wie viele Bewertungen es braucht, um tatsächlich statistisch fundiert eine Aussage treffen, beziehungsweise eine Bewertung veröffentlichen zu können. Das würde aber vermutlich bedeuten, dass bei vielen Lehrenden und bei vielen Schulen einfach nur der Vermerk stehen müsste „hier hat es noch zu wenige Bewertungen gegeben“. Das wäre vermutlich nicht im Sinne der App Entwickler.
Wie müsste eine solche Lehrerbewertungsapp aus meiner Sicht also funktionieren, was für Funktionen und vor allem was für Sicherheitsfeatures müsste sie haben? Zuerst einmal fällt auf, dass all jene Firmen, die von solchen Bewertungen betroffen sind, beziehungsweise die auch davon profitieren, gelernt haben, dass sie diese Funktion nicht irgendwelchen Drittanbietern überlassen sollten, sondern dass sie selbst diese Funktionen ihre Systeme integrieren. Beinahe jeder Paketdienst schickt eine Mail nach vollendeter Lieferung, in der um eine Bewertung gebeten wird, und in den großen Onlineshops ist natürlich auch die Bewertungsfunktion ganz natürlicher Teil des Shops selbst. Ausgelagert sind solche Bewertungssysteme meist nur in den Branchen, in denen der einzelne Anbieter zu klein ist, um so etwas auf die Beine zu stellen, beispielsweise bei Handwerker Bewertungsportalen oder bei Ärzte Bewertungsportalen. Das österreichische Schulsystem ist aber groß genug, dass hier ein eigenes System entwickelt und online gestellt werden könnte. Das brächte einige Vorteile mit sich. Zum einen wäre natürlich sowohl den Dienstgeber als auch der Personalvertretung bekannt, nach welchen Algorithmen hier die Daten generiert werden, zum anderen hätte natürlich auch Dienstgebern und Personalvertretung die Möglichkeit auf die Fragestellungen Einfluss zu nehmen. Außerdem wäre es einfacher den eigentlichen Sinn einer solchen Feedback Kultur umzusetzen, nämlich dafür zu sorgen, dass mögliche schlechten Bewertungen nicht einfach den Lehrer bloß stellen, sondern dass diese zum Anlass genommen werden, kollegiales Coaching oder andere Qualitätssichernde Maßnahmen durchzuführen. Hierbei sollten Dienstgeber und Personalvertretung Hand in Hand arbeiten. Bei einem System, welches vom Bildungsministerium betrieben würde, könnte man auch viele Arten den Missbrauch zurückdrängen. So könnte beispielsweise gewährleistet werden, dass Bewertungen nicht nur wie jetzt schon praktiziert, mit einer Telefonnummer verifiziert werden müssen, es könnten zum Beispiel auch Codes in der Schule ausgegeben werden, mit deren Hilfe sich Schüler oder Eltern noch eindeutiger als tatsächlich an dieser Schule eingeschrieben ausweisen. Natürlich müsste in einem solchen Fall elektronisch in der App garantiert sein, dass dieser Code dann nicht einem einzelnen Elternteil oder Schüler zugeordnet wird. Das ist natürlich bis zu einem gewissen Grad eine Vertrauenssache, wir vertrauen aber auch dem Staat, wenn es darum geht, ein Briefwahl Kuvert mit gemeinsam mit dem anonymen Kuvert im Inneren zu öffnen. Um zu verhindern dass eine einzelne Situation, die beispielsweise im Klassenzimmer für Unmut sorgt, zu deutlich in die Bewertungen einfließt, könnte man bei schlechten Bewertungen nachvollziehen, ob diese in einem sehr kurzen Zeitraum gehäuft auftraten. Man könnte aber auch einen Bewertungszeitraum definieren. Ich denke dabei zum Beispiel an eine Bewertungswoche pro Quartal. Das würde meiner Ansicht nach dazu führen, dass die Bewertung weniger aufgrund von Einzelereignissen und nicht so sehr im Affekt geschieht. Damit glaubhaft schlechten Bewertungen eines Lehrers diesen nicht zu sehr bloßzustellen, könnte er für eine gewisse Zeit aus dem Bewertungstool heraus genommen werden, dies jedoch nicht um Missstände zu vertuschen, sondern um in dieser Zeit mit Hilfe von Coaching, Weiterbildung oder anderen unterstützenden Maßnahmen eine Verbesserung der Situation herbeizuführen. Die von mir beschriebenen Verbesserungsmöglichkeiten verstehen sich natürlich nicht als ein komplett durchdachtes Konzept, sie sollen nur ein erster Denkanstoß sein. Wichtig ist mir jedoch, dass die Lehrerschaft akzeptiert, dass wir einen Beruf ausüben, in dem wir zumindest an der Grenze zwischen Privatperson und „Person des öffentlichen Interesses“ stehen. Wir werden es also nicht verhindern können, und konnten das auch nie, dass man öffentlich über uns diskutiert. Früher Tat man das am Stammtisch, oder am Gemüsestand beim Wochenmarkt, heute verlagern sich solche Diskussionen natürlich ins Netz. Wir haben also nur die Möglichkeit, das tatenlos über uns ergehen zu lassen, oder proaktiv Möglichkeiten der Partizipation zu schaffen, die für uns nützlich sind und die die schädlichen Aspekte solche Netzdiskussionen nicht noch fördern. Reflexartig mit panischer Schnappatmung zu reagieren, wie dies Teile der Lehrergewerkschaft rund um Paul Kimberger tun, ist auf jeden Fall der absolut falsche Weg. Das verhindert gar nichts und sorgt nur dafür, dass die Lehrerschaft als rückständig wahrgenommen wird und Vorurteile wie „die leben doch alle nur in einer geschützten Werkstätte des Staates“ weiter leben. PS.: Mal schauen ob es Beschwerden gibt wenn in einem Post nicht gegendert wird, in dem Lehrende kritisch betrachtet werden ;-)
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AuthorKlaus Katzlberger, Lehrender an der Pädagogischen Hochschule Vorarlberg Archives
February 2022
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